Über Emilie Fütterer wurde ein schweres Urteil gefällt. Im Alter von 61 Jahren wurde sie gemäß dem §42b (Paragraph 42b) zu acht Monaten Gefängnis mit anschließender Unterbringung in einer Anstalt verurteilt. Damit galt sie innerhalb der NS-Weltsicht als „kriminelle Geisteskranke“. Galten Angeklagte zum Beispiel aufgrund einer psychischen Erkrankung als nicht oder nur vermindert schuldfähig, konnten sie durch deutsche Gerichte ab 1934 über den §42b in eine Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen werden. Als „kriminelle Geisteskranke“ waren sie doppelt stigmatisiert und liefen ab 1940 massiv Gefahr, Opfer der „Euthanasie“ zu werden.
Emilie wurde 1877 in Neustadt geboren. Ihre Jugendjahre verbrachte sie in Worms, wo ihre Eltern eine Kneipe hatten. Mit 19 Jahren heiratete sie zum ersten Mal und bekam zwei Kinder. Die Ehe hielt acht Jahre.
Einige Jahre nach der Scheidung bekam Emilie eine weitere Tochter, die sie zunächst allein großzog. 1918 heiratete Emilie ein zweites Mal. Doch schon bald wurde das neue Familienglück getrübt. Emilie trank immer mehr Alkohol. Nach nur wenigen Ehejahren starb ihr zweiter Mann bei einem Unfall. Mit nur 48 Jahren war Emilie Witwe und wieder auf sich allein gestellt. 1929 verlor sie durch die Sucht das Sorgerecht über ihre 15jährige Tochter. Der Kontakt zwischen den beiden brach jedoch nie ab.
Als die Tochter volljährig wurde, zogen die beiden in eine kleine gemeinsame Wohnung in Mannheim. Hier soll die Tochter ihr Geld durch Sexarbeit verdient haben. Emilie wurde vorgeworfen, von der Arbeit der Tochter gewusst zu haben. Zudem soll sie auch Geld von den Liebhabern angenommen haben. 1939 wurde sie wegen „Kuppelei“ verurteilt (Kuppelei hieß damals: jemand bringt Menschen zusammen, die Sex haben wollen. Das war strafbar). Da Emilie alkoholkrank war, entschied das Gericht, dass sie nur vermindert schuldfähig sei. Da sie jedoch auch nach einer Gefängnisstrafe nicht aufhören würde Alkohol zu trinken und erneut straffällig werden könnte, sollte sie in einer Anstalt untergebracht werden.
Drei Jahre verbachte Emilie daraufhin in der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch. 1942 wurde sie in die hessische Anstalt Weilmünster verlegt und im Oktober 1944 schließlich nach Hadamar. Über ihr Leben ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr viel zu erfahren. Seit dem Sommer 1942 war Hadamar eine Tötungsanstalt, in welcher die Menschen bewusst vernachlässigt und unterernährt wurden. Zudem wurde aktiv mit Medikamenten gemordet.
Am 11. November 1944 starb Emilie Fütterer. Sie wurde ein Opfer der NS-„Euthanasie“.
Wir veröffentlich in der Kampagne #Hadamar1942Bis1945 Biografien der Verfolgten und Ermordeten der „dezentralen Euthanasie“ zwischen 1942 und 1945. Hier finden sich alle bisher veröffentlichten Biografien.
Quellenangabe: LWV-Archiv, K 12, Nr. 4327