
Am 23. März 1945 starb Karl Gletzgau in der Tötungsanstalt Hadamar. Nur wenige Informationen sind noch über sein Leben und Schicksal bekannt.
Karl Gletzgau lebte während des Zweiten Weltkrieges in Frankfurt-Rödelheim bei seiner Tochter. Bei einem Bombenangriff wurde das Haus der Familie zerstört und sie mussten nach Wernborn im Taunus umziehen. Da sie Karl nicht in ihre neue Unterkunft aufnehmen konnten, wurde er Ende März 1944 in die Landesheilanstalt Weilmünster gebracht. Doch er war dort kein psychiatrischer Patient. In der Anstalt war kurz zuvor eine „Alterspflegeabteilung“ für alte und körperlich kranke Menschen aus dem Raum Wiesbaden und Frankfurt eingerichtet worden.
Karl wurde regelmäßig von seiner Tochter besucht. Doch schon bald brach der Bahnverkehr im Krieg zusammen und sie konnte nicht mehr kommen.
Gegen Ende des Krieges wurde die Anstalt Weilmünster von der Wehrmacht besetzt. Um Platz für verwundete Soldaten zu schaffen, wurden Hunderte von Psychiatriepatient:innen nach Hadamar gebracht. Hadamar war zu dieser Zeit eine Tötungsanstalt der „Euthanasie“. Eine Verlegung dorthin bedeutete den sicheren Tod. Auch die „Alterspflegeabteilung“ in Weilmünster wurde Anfang 1945 aufgelöst. Am 19. Februar wurde Karl Gletzgau in einem Krankentransport nach Hadamar gebracht.
Durch einen Brief von Franz Weil erfahren wir heute etwas mehr über die letzten Wochen von Karl Gletzgau. Die beiden Männer waren zusammen aus Weilmünster verlegt worden. In Hadamar wurden sie im selben Zimmer untergebracht. Karl wirkte zunehmend verwirrt und fragte immer wieder nach seinen Schuhen, weil er nach Rödelheim zurückkehren wollte. Eines Tages erhielten Karl und zwei andere Männer im Zimmer „Schlafpulver“. Zwei Tage später waren sie tot.
Karl Gletzgau war eines der letzten Opfer in Hadamar, die durch überdosierte Schlaf- und Beruhigungsmittel ermordet wurden. Nur wenig später befreiten US-amerikanische Soldaten die Anstalt. Erst im Spätsommer 1945 erfuhr die Familie von seinem Tod.
Kommenden Mittwoch jährt sich die Befreiung der Anstalt zum 80. Mal. An diesem Tag gedenken wir den Menschen, die damals stigmatisiert, ausgegrenzt und schließlich ermordet wurden – und die wir heute nicht vergessen dürfen.
Die Erinnerung an diese grausame Vergangenheit mahnt uns, wachsam zu bleiben und für eine Gesellschaft einzutreten, in der solches Unrecht niemals wieder Platz hat.
Die Gedenkveranstaltung wird live auf unserem YouTube-Kanal übertragen: https://www.youtube.com/watch?v=GOYZ2lgGnDk
Wir veröffentlich in der Kampagne #Hadamar1942Bis1945 Biografien der Verfolgten und Ermordeten der „dezentralen Euthanasie“ zwischen 1942 und 1945. Hier finden sich alle bisher veröffentlichten Biografien.