
Die Landesheilanstalt Hadamar war zwischen 1941 und 1945 eine der aktivsten Tötungsanstalten der NS-„Euthanasie“. Durch den Einmarsch US-amerikanischer Truppen endete am 26. März 1945 die „dezentrale Euthanasie“ in Hadamar. Von August 1942 bis März 1945 waren in der Anstalt über 4.400 Menschen durch Medikamente, Nahrungsentzug und Vernachlässigung ermordet worden. Die Soldaten fanden in der Anstalt und auf dem nahegelegenen Hofgut noch rund 400 Patient:innen vor – ausgehungert und verwahrlost. Einer der Überlebenden war Claas G.
Claas wuchs in schwierigen Verhältnissen auf: Häusliche Gewalt, Vernachlässigung und Ablehnung bestimmten seine Kindheit. Das Jugendamt griff früh ein, konnte jedoch wenig an der schlechten Situation der insgesamt sieben Kinder ändern. 1935 zerbrach die Ehe der Eltern – Claas war zu diesem Zeitpunkt erst neun Jahre alt.
Mit elf Jahren wurde er erstmals in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Nach über zwei Jahren wurde er entlassen und lebte bei seinem Vater und dessen neuer Frau in Berlin. Doch das Zusammenleben in der neuen Familie scheiterte. Claas kam erneut für kurze Zeit in eine Anstalt.
Anschließend schien sich das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu bessern. Claas wirkte hilfsbereiter und fröhlicher, sodass versucht wurde, ihn zur Ausbildung in einem Malereibetrieb unterzubringen. Doch die positive Entwicklung hielt nicht an. Nach wenigen Monaten blieb Claas der Ausbildung fern. Nachdem sein Vater jede Verantwortung für ihn ablehnte, kam Claas in ein Erziehungsheim. Dort galt der Jugendliche als „schwierig“ und „ungehorsam“, er versuchte mehrfach zu fliehen.
Ein Jahr später erklärte sich sein Vater überraschend bereit, ihn doch noch einmal bei sich aufzunehmen. Doch auch dieser Versuch scheiterte. Claas und sein jüngerer Bruder begingen mehrere Diebstähle und wurden schließlich verhaftet. 1941 wurde Claas zu einem Monat Jugendhaft verurteilt. Anschließend wurde er in die Landesanstalt Görden gebracht. Dort beschrieben ihn die Ärzte als „vorlaut“, „rücksichtslos“ und unsozial gegenüber den anderen Jugendlichen. Schließlich stellten sie die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung – damit sollte Claas die Anstalt nicht mehr verlassen. Er blieb mehrere Jahre in Görden, bis er am 18. November 1943 in einem Sammeltransport in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht wurde. Dort überlebte er bis zur Befreiung der Anstalt im März 1945. Über seine Zeit in Hadamar ist wenig bekannt. Am 6. April 1945 wurde er entlassen. Sein weiteres Schicksal bleibt unbekannt.
Wir veröffentlich in der Kampagne #Hadamar1942Bis1945 Biografien der Verfolgten und Ermordeten der „dezentralen Euthanasie“ zwischen 1942 und 1945. Hier finden sich alle bisher veröffentlichten Biografien.
Quellenangabe: LWV-Archiv, K 12, Nr. 3403



