
Am 26. März 2025 fand im Festsaal der Vitos Klinik unsere alljährliche Gedenkveranstaltung anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung von Hadamar statt, ausgerichtet von der Stadt Hadamar, der Vitos Weil-Lahn gGmbH sowie der Gedenkstätte Hadamar.
Zu Beginn der Veranstaltung begrüßten Prof. Dr. Jan Erik Schulte, Leiter der Gedenkstätte Hadamar, und Ulrike Gote als Erste Beigeordnete des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, dem Träger der Gedenkstätte, die Gäste. Frau Gote betonte die Wichtigkeit des Erinnerns an die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes im Rahmen der NS-„Euthanasie“-Krankenmorde, die erst durch die Befreiung der Anstalt am 26. März 1945 durch US-amerikanische Soldaten gestoppt werden konnten. Mit Bezug zur Gegenwart verwies Frau Gote auf den stattfindenden Rechtsruck in Deutschland, der auch heute wieder dafür sorge, teilweise rechtsextremem Gedankengut Raum zu geben, menschenverachtende Überlegenheitsfantasien gesellschaftsfähig zu machen und marginalisierte Gruppen zu stigmatisieren und auszugrenzen. Daher sei es von besonderer Bedeutung, an die Ermordeten und die Verbrechen zu erinnern und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, statt sie totzuschweigen.
Tanja Eichner, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat, der Hadamarer Bürgermeister Michael Ruoff sowie der Vorsitzende der Geschäftsführung der Vitos Holding, Reinhard Belling bekräftigten in ihren Grußworten die Relevanz des Gedenkens und Erinnerns an die NS-„Euthanasie“-Verbrechen. Bürgermeister Ruoff sprach zudem aus eigener Erfahrung über die stark verzögert stattfindende Aufarbeitung in Hadamar und stellte klar, man habe das Thema „Euthanasie“-Morde in Hadamar bis in die späten 80er-Jahre gesellschaftlich ignoriert. Reinhard Belling mahnte vor heutiger Geschichtsvergessenheit.
US-Generalkonsul Brian Heath verwies auf die gemeinsame Verpflichtung Deutschlands und der USA, Menschenrechte und Grundfreiheiten auch in Zukunft zu verteidigen und zu stärken. Zudem lobte er den Mut der damaligen Soldaten während der Befreiung Hadamars sowie das seit 80 Jahren geltende gemeinsame Bestreben, derartige Gräueltaten niemals wieder zuzulassen.
Musikalisch begleitete unsere Gedenkveranstaltung der Chor, ein Bläserquartett sowie Solisten der Jahrgangsstufe 12 des Landesmusikgymnasiums Rheinland-Pfalz. Im Rahmen des Projektes „Lebensmelodien“, das sich der Wiederentdeckung und Aufführung von Musikstücken jüdischer Komponisten aus der Zeit des Nationalsozialismus widmet, bot das Ensemble unter der Leitung ihres Projektbetreuers Christof Haxel-Schamuhn einige dieser Melodien dar. Die Idee sei es, jüdischem Leid in Form vergessen geglaubter Melodien Gehör zu schenken und einen neuen Zugang zu den Schicksalen der Verstorbenen zu ermöglichen. Die Musik schaffe dabei eine ganz andere Ebene emotionaler Verbindung und Anteilnahme, was gerade für jüngere Generationen wichtig sei, um ihnen eine spielerische und lebendige Form der Auseinandersetzung mit Geschichte zu ermöglichen.
Die Hauptrednerin des Abends war Gabriele Lübke, Enkelin der 1941 in Hadamar ermordeten Rosa Schillings. Sie berichtete aus dem Leben ihrer Großmutter. Rosa Schillings, geboren am 18. März 1899, geriet im Jahr 1932 ins Visier des nationalsozialistischen Gesundheitssystems. Als innerhalb kurzer Zeit ihr Mann sowie eines ihrer zwei Kinder verstarb, traten bei ihr psychische Probleme auf, die zu einer Betreuung in einer Anstalt führten. Da sich ihre gesundheitlichen Beschwerden nicht besserten, häuften sich ihre Anstaltsaufenthalte, zudem verlor sie das Sorgerecht für ihren Sohn an ihren Bruder.
Bis zuletzt widersetzte sich Rosa den streng reglementierten Anstaltsverhältnissen, immer wieder kritisierte sie das nationalsozialistische Regime. Sie bekam die Diagnose „paranoide Schizophrenie“ zugeschrieben und wurde einige Jahre später, am 2. Mai 1941, nach Hadamar verlegt und im Rahmen der „Aktion T4“ ermordet. Ihr Leben wurde als lebensunwert eingestuft.
Wir sind Gabriele Lübke für den sehr persönlichen Einblick in das Leben ihrer Großmutter dankbar.
Wir bedanken uns zudem bei allen Rednerinnen und Rednern, auch bei der Stufe 12 des Landesmusikgymnasiums Rheinland-Pfalz und ihrem Projektbetreuer Christof Haxel-Schamuhn, die den Stimmen der Opfer würdevoll Gehör geschenkt und unsere Gedenkveranstaltung bereichert haben.
Zuletzt gilt auch allen Besucherinnen und Besuchern ein großer Dank, sowohl den Menschen vor Ort, als auch denen, die von zuhause aus zugeschaut haben. Die Liveübertragung der Gedenkveranstaltung ist ab sofort als Video auf unserem Youtube-Kanal abrufbar.