Massenmord an Anstaltspatientinnen und -patienten

Schwarz-Weiß-Foto der Anstalt Hadamar aus einiger Entfernung. Im Vordergrund sind Dächer einiger Gebäude aus Hadamar zu sehen. Aus dem Schornstein der Anstalt zieht eine schwarze Rauchsäule Richtung Himmel.
Fotografie der Tötungsanstalt Hadamar mit rauchendem Schornstein 1941. Foto: Gedenkstätte Hadamar, Sammlung FS 4

Ende 1940 wurde das Gebäude der Landesheilanstalt Hadamar in eine Tötungsanstalt umgebaut. Auftraggeber war die Organisation der zentralgesteuerten „Erwachseneneuthanasie“, die später als „Aktion T4“ bezeichnet wurde. In der Berliner Tiergartenstraße 4 – daher „T4“ – hatte die Organisation ihren Hauptsitz.

Adolf Hitler, Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches, hatte Karl Brandt, seinen Begleitarzt, und Philipp Bouhler, den Chef der Kanzlei des Führers, den Auftrag gegeben, die Morde durchzuführen. Beide standen an der Spitze der „Aktion T4“.

Die psychiatrischen Kliniken im Deutschen Reich, häufig als Landesheilanstalten oder Heil- und Pflegeanstalten bezeichnet, hatten zunächst von der Gesundheitsverwaltung des Reichsinnenministeriums „Meldebögen“ erhalten, in denen sie über die Patientinnen und Patienten berichten mussten.

Anhand dieser „Meldebögen“ entschieden anschließend „Gutachter“, vielfach Psychiatrieprofessoren und Anstaltsleiter, über Leben und Tod. Wer nicht mehr arbeitsfähig war, über einen langen Zeitraum in einer Anstalt lebte oder wessen Angehörige sich nicht mehr meldeten, hatte wenig Überlebenschancen.

Anfang 1940 wurden in hierfür eingerichteten Tötungsanstalten die jeweiligen Menschen ermordet. Die Tötungsanstalt Hadamar war die sechste und letzte Mordstätte, die die „T4“ einrichtete. Ab dem 13. Januar 1941 wurden hier Menschen ermordet. Sie waren zunächst in „Zwischenanstalten“ verlegt worden, wo sie auf den Transport in die Tötungsanstalt Hadamar warten mussten.

Die „Zwischenanstalten“ Hadamars befanden sich in Herborn, Weilmünster, Idstein (Kalmenhof), Eltville (Eichberg) im heutigen Bundesland Hessen, Galkhausen (heute Nordrhein-Westfalen), Andernach, Scheuern (heute Rheinland-Pfalz) sowie Wiesloch und Weinsberg (heute Baden-Württemberg). Speziell aus Düsseldorf-Grafenberg (heute Nordrhein-Westfalen) und Heppenheim (heute Hessen) wurden Patientinnen und Patienten nach Hadamar verschleppt, die gemäß der NS-Rassengesetze als jüdisch galten.

Schematische Darstellung einer Landkarte von Hessen und umliegenden Bundesländern. Der Ort Hadamar liegt zentral im Bild, die Standorte der ehemaligen Zwischenanstalten sind eingezeichnet und über Linien mit Hadamar verbunden.
Karte der "Zwischenanstalten" der Tötungsanstalt Hadamar. Grafik: Gedenkstätte Hadamar

Wie in den anderen Tötungsanstalten wurden in der bisherigen Landesheilanstalt Hadamar eine Gaskammer eingerichtet und Krematoriumsöfen aufgestellt. Die Leitung der Anstalt oblag zwei Ärzten. Während des Jahres 1941 arbeiteten insgesamt etwa 100 Personen in der Tötungsanstalt, darunter Pflegekräfte, Küchen- und Verwaltungspersonal.

Seit Januar 1941 trafen regelmäßig Patientinnen und Patienten ein, die mit Bussen der „T4“-eigenen Transportgesellschaft in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht wurden. Die Menschen wurden in der hierfür errichteten hölzernen Busgarage ausgeladen. Danach wurden sie in das Gebäude geführt und mussten sich in einem großen Saal ausziehen. Anschließend überprüften Angehörige des Verwaltungspersonals die Personalien und einer der Tötungsärzte legte die Todesursache, die in den gefälschten Unterlagen erscheinen sollte, fest.

Farbfotografie einer hölzernen Garage mit drei großen Toren im Innenhof der Gedenkstätte Hadamar
Ehemalige Busgarage im Innenhof der Gedenkstätte Hadamar. Foto: Gedenkstätte Hadamar/Valentin Pfleger

In der Gaskammer im Keller wurden die Menschen mit Kohlenmonoxidgas ermordet. Anschließend äscherte spezielles Anstaltspersonal die Leichen im Krematorium ein. Über der Tötungsanstalt war von weithin der Rauch des Verbrennungsprozesses zu sehen und, wie Zeitgenossinnen und Zeitgenossen schildern, auch zu riechen.

Den Angehörigen der Ermordeten wurden in sogenannten Trostbriefen, die die Sekretärinnen tippten, falsche Angaben über die Todesumstände, den Todeszeitpunkt und teilweise auch den Todesort gemacht. Falls von den Angehörigen gewünscht, wurde eine Urne verschickt. Allerdings enthielt diese nicht die Asche des ermordeten Familienmitglieds.

Bis zum Stopp der „Aktion T4“ am 24. August 1941 wurden in Hadamar über 10.000 Patientinnen und Patienten ermordet.

Literatur: Georg Lilienthal, Gaskammer und Überdosis. Die Landesheilanstalt Hadamar als Mordzentrum (1941–1945), in: Uta George u. a. (Hg.), Hadamar. Heilstätte – Tötungsanstalt – Therapiezentrum, Marburg 2006, S. 156–175.