Der Kalmenhof – Geschichte einer „Heilerziehungsanstalt“

1888 gründeten Frankfurter Bürger und Sozialpolitiker den gemeinnützigen „Verein für die Idiotenanstalt zu Idstein“, der zum Träger einer Behinderten- und Fürsorgeeinrichtung im nahegelegenen Idstein wurde. Der Verein erwarb dort Gelände und den Gebäudekomplex „Calmenhof“ (ehem. auch „Stockheimer Hof“). Im Laufe der Zeit wurden mehrere Häuser dazugekauft, zum Teil abgerissen und neu gebaut. Als in der Gründungsurkunde festgehaltenes Ziel der Einrichtung, sollten die dort untergebrachten Menschen verpflegt, berufsvorbereitend betreut und nach Möglichkeit ausgebildet werden.

Mit 1933 endete diese reformorientierte Ausrichtung. Bald nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde die Heilerziehungsanstalt Kalmenhof in Idstein gleichgeschaltet und nach nationalsozialistischen Vorstellungen ausgerichtet. Die Erziehung und Ausbildung der „Zöglinge“ rückte in den Hintergrund. Nun wurden diese in der überfüllten Einrichtung nur noch verwahrt und unzureichend betreut, während man ihre Arbeitskraft ausbeutete. Viele wurden außerdem Opfer der Zwangssterilisationen.

Der Kriegsbeginn stellte einen weiteren Einschnitt auf dem Kalmenhof dar. Bereits ab Oktober 1939 erhöhte sich die Zahl der Todesfälle erheblich.

Im Zuge der „Aktion T4“ erhielt der Kalmenhof die Funktion einer „Zwischenanstalt“ für die Tötungsanstalt Hadamar. In dieser „Zwischenanstalt“ wurden die zur Ermordung bestimmten Patientinnen und Patienten gesammelt. Zwischen Januar und Juli 1941 deportierten die Verantwortlichen über 700 Personen von und über Idstein nach Hadamar, wo sie ermordet wurden.

Ende 1941 entstand im Kalmenhof eine sogenannte „Kinderfachabteilung“. Diese „Fachabteilungen“ gab es in vielen Anstalten und Kliniken im Deutschen Reich. Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte töteten dort mit überdosierten Medikamenten oder Nahrungsentzug Kinder und Jugendliche, die als behindert stigmatisiert wurden. Im Kalmenhof war die „Kinderfachabteilung“ zunächst im Dachgeschoss des Krankenhausgebäudes der Anstalt untergebracht. Tatsächlich mordete das medizinische Personal auch außerhalb der „Kinderfachabteilung“ im Rahmen der sogenannten „dezentralen Euthanasie“.

In der Zeit von Kriegsbeginn bis 1945 fielen auf dem Kalmenhof über 700 Menschen den NS-„Euthanasie“-Verbrechen zum Opfer.

Ein Gedenk- und Lernort entsteht

Auf dem Gelände sowie im Dachgeschoss des ehemaligen Kalmenhof Krankenhauses in Idstein entsteht der Gedenk- und Lernort Kalmenhof. Die Gedenkstätte Hadamar informiert hier und zusammen mit Vitos Teilhabe auf Facebook in regelmäßigen Abständen über die Geschichte des Kalmenhofs in der Zeit des Nationalsozialismus und die Entwicklung des „Gedenk- und Lernortes Kalmenhof“ in Idstein.

Gern können Sie bereits jetzt Rechercheanfragen oder Anfragen für die Durchführung von Bildungsangeboten an uns richten.

Kontakt

Lisa Caspari, M.A.
Pädagogisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin Projekt regionalspezifische Ausstellungsprojekte, Projektleitung „Gedenk- und Lernort Kalmenhof“

Telefon: +49 (0) 6433 91845-32

E-Mail: Lisa.Caspari@lwv-hessen.de

Rundgang (Dauer: ca. 45 Minuten)

Ob Schulklassen, Berufsschulen oder andere Gruppen: Gern können Sie die Geschichte des Kalmenhofs bei einer Führung kennenlernen. Der Rundgang beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Zeit des Nationalsozialismus. Dabei stehen insbesondere auch Biografien der Verfolgten und Ermordeten im Vordergrund.

Aktuelles und Geschichte

Ein Sepia-Bild von einem großen Gebäude auf einem Hügel. Das Gebäude ist hell angestrichen und hat dunkle Fensterläden. Der Hügel, auf dem das Gebäude steht, ist von Bäumen bewachsen.

Veranstaltungshinweis für Kurzentschlossene!

Vitos Teilhabe und die Gedenkstätte Hadamar laden am 24.01.2024 um 18.00 Uhr, zu einer Informationsveranstaltung zur Entwicklung des historischen Ortes „Kalmenhof Krankenhaus“ ein.