Jedes Jahr findet in Berlin die Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages statt, zu dem engagierte junge Menschen aus ganz Deutschland eingeladen werden, die sich als Multiplikatoren in der Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit einsetzen. Das Thema der diesjährigen Jugendbegegnung hatte den Schwerpunkt „80 Jahre Wannseekonferenz“. Der Höhepunkt der Veranstaltung ist normalerweise die Teilnahme an der Gedenkstunde des Bundestages, die alljährlich am 27. Januar in Berlin stattfindet. Leider musste die Jugendbegegnung dieses Jahr in den Mai verlegt werden, da die pandemische Lage im Januar ein Treffen von Menschen aus ganz Deutschland unmöglich machte.
Ich war sehr enttäuscht, als ich im Januar die Absage erhalten habe und umso mehr habe ich mich gefreut, als der Nachholtermin im Mai feststand. Nach unserer Ankunft in Berlin wurden wir vom Besucherdienst des Deutschen Bundestages empfangen und anschließend in Arbeitsgruppen eingeteilt. Dort erarbeiteten wir verschiedene Themen rund um die Wannseekonferenz und präsentierten am Ende die Ergebnisse. Nach einer ersten Arbeitsphase schauten wir gemeinsam den Film „Die Wannseekonferenz“ des ZDF und hatten im Anschluss die Möglichkeit, Fragen an den Hauptdarsteller Philipp Hochmair und an Dr. Jakob Müller aus dem Haus der Wannsee-Konferenz zu stellen.
Am Dienstag erhielten wir eine Hausführung durch das Reichstagsgebäude, in der der Fokus besonders auf das Gebäude als „Ort des Gedenkens“ gelegt war. Ein besonderer Höhepunkt dieser Fahrt war für mich das Zeitzeugengespräch mit dem Ehepaar Michalski, das am Dienstagnachmittag stattfand. Darin erzählte Frau Michalski die Lebensgeschichte ihres Mannes, der aufgrund eines Schlaganfalls nur noch eingeschränkt sprechen kann. Herr Michalski wuchs in Berlin als Sohn einer jüdischen Mutter auf und galt nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten als „Halbjude“. Sein Vater, der als „arisch“ galt, weigerte sich, die Ehe mit seiner Frau zu beenden, verlor daraufhin sein Geschäft und wurde in der Gesellschaft ausgegrenzt. Als die Familie auf einer Deportationsliste auftaucht, fliehen sie durch das Deutsche Reich vor den Nationalsozialisten. Nur mit der Hilfe ihrer „stillen Helden“, Menschen, die ihnen auf der Flucht halfen, konnte die Familie überleben. Noch heute sehen sie sich, ihre Kinder und Enkelkinder von antisemitischen Anfeindungen bedroht. Es war beeindruckend, mit welcher Ruhe und Kraft das Ehepaar Michalski ihre Geschichte erzählte und alle unsere Fragen beantwortete.
Am nächsten Tag besuchten wir die Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz“ und das Dokumentationszentrum Gedenkstättenforum Topographie des Terrors“. Am Nachmittag fand eine sehr spannende Podiumsdiskussion mit der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas statt, die sich allen unseren Fragen stellte. Am letzten Tag der Veranstaltungen präsentierten die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse. Am Nachmittag machten wir uns alle wieder auf den Weg zurück in unsere Gedenkstätten und Institute.