Im Mai 1920 wurde Renate in die Limburger Arbeiterfamilie Fischer geboren. Sie war das dritte von vier Kindern. Bis sie 15 Jahre alt war besuchte sie die Volksschule in Limburg. Drei Jahre später starb ihre Mutter. Renate hatte nach damaligem medizinischem Verständnis eine angeborene geistige Behinderung. Aufgrund dieser Diagnose und einem aus damaliger gesellschaftlicher Sicht „haltlosen Lebenswandels“ wurde sie im Alter von 20 Jahren zwangssterilisiert. Ein Jahr später heiratete sie den 24 Jahre älteren Arbeiter Theodor Brüggemann. Sie lebten zusammen in Limburg in ihrem Elternhaus.
Im Herbst 1942 erhielt die Familie die Nachricht über den „Heldentod“ von Renates jüngerem Bruder. Daraufhin bemerkte die Familie bei ihr eine „plötzliche Veränderung“. Da Renate aus ärztlicher Sicht psychiatrische Behandlung und Fürsorge brauchte, wurde sie am 17. Oktober 1942 von ihrer Stiefmutter zur Aufnahme in die Anstalt Hadamar gebracht. Sie kam auf die Station „II a“, eine der Frauenstationen im Hauptgebäude der Anstalt.
Hadamar war zu diesem Zeitpunkt jedoch längst kein Ort der Pflege mehr, sondern eine Tötungsanstalt der NS-„Euthanasie“. Durch die nahezu permanente Überbelegung der Anstalt sowie mangelnder hygienischer Versorgung waren die Frauen in desolaten Zuständen untergebracht. Insbesondere die nicht arbeitsfähigen Patientinnen mussten aufgrund einer bewussten Mangelernährung Hunger leiden. Zusätzlich wurde unter anderem auf der Station „II a“ mit überdosierten Medikamenten gezielt gemordet.
Das Sterben auf der Station blieb auch den Frauen selbst nicht verborgen. Was Renate miterlebte, können wir nicht mehr beurteilen. In ihrer Krankenakte wurde sie als pflegebedürftige Patientin beschrieben, deren Zustand sich ab Ende Oktober rapide verschlechterte. Am 18. November 1942 starb sie in der Tötungsanstalt im Alter von 22 Jahren.
Der Leichnam von Renate Brüggemann wurde nach Limburg überführt und auf dem städtischen Hauptfriedhof beerdigt. Sie ist damit eine von wenigen in Hadamar ermordeten Menschen, deren Leichnam ab 1942 nicht auf dem Anstaltsfriedhof im Massengrab vergraben wurde.
Am 05. November 2022 werden in Limburg acht Stolpersteine für Opfer der „Euthanasie“ verlegt. Einer ist für Renate Brüggemann. Die Verlegung wird von dem Stadtarchiv und der Stadt Limburg organisiert. Näheres wird die Stadt in der Presse bekanntgeben.
Wir veröffentlich in der Kampagne #Hadamar1942Bis1945 Biografien der Verfolgten und Ermordeten der „dezentralen Euthanasie“ zwischen 1942 und 1945. Hier finden sich alle bisher veröffentlichten Biografien.
Quelle:
LWV-Archiv, Best. 12, K 3645
HStAWi, Best. 473/3 Nr. 679
StALM II/3271