Im Februar 1943 wurden innerhalb von sechs Tagen 172 Patienten und Patientinnen von der Heilerziehungs- und Pflegeanstalt Scheuern in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt. Unter den Verlegten befanden sich 51 Kinder im Alter von 2-10 Jahren. Auf diesem Weg gelangte heute vor 80 Jahren auch der 2-jährige Kurt Jakob nach Hadamar. Er war das jüngste Kind unter den Verlegten.
Kurt wurde im November 1940 als uneheliches Kind in Kassel geboren. Bereits kurz nach der Geburt befand er sich im Kinderheim und Kinderkrankenhaus Park-Schönfeld in Kassel. Ob überhaupt Kontakt zu den Eltern bestand, geht heute aus den Unterlagen nicht mehr hervor. Laut seiner Krankenakte galt er seit Geburt als ein körperlich unterentwickeltes Kind, bei dem der Verdacht auf eine geistige Behinderung bestand.
Mitte Juni 1942 kam er in die Anstalt Scheuern. Kurz zuvor verschärfte sich das Urteil über ihn: „Es handelt sich bei Kurt Jakob um ein körperlich und geistig minderwertiges Kind, von dem nicht zu erwarten ist, dass diese Mängel jemals wieder eingeholt werden.“
In Scheuern verbrachte er die meiste Zeit im Bett und wurde als unselbstständiges Kind mit hohem Pflegeaufwand beschrieben. Mit einer abschließenden Bewertung als „offenbar aussichtsloser Pflegefall“ wurde er im Februar 1943 nach Hadamar verlegt. 12 Tage später starb er. Als Todesursache gab der Arzt in Hadamar, Dr. Wahlmann, „Entkräftung“ und „Marasmus“ [schwere Erkrankung, die meist Folge einer erheblichen Mangelernährung ist] an – Versuche das Kind zu versorgen, wurden in der Tötungsanstalt Hadamar eingestellt.
Kurt Jakob war das jüngste Kind, das sich im Fürsorge- oder Anstaltssystem befand und zwischen 1942–1945 in Hadamar ermordet wurde.
Wo Kurt beerdigt wurde ist heute nicht mehr bekannt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde er auf dem 1942 angelegten Anstaltsfriedhof in einem gesonderten Bereich beigesetzt. 13 Einzelgräber weisen auf Grabstellen von Kindern hin, die im Alter von bis zu 5 Jahren starben. Mit letztendlicher Sicherheit lässt sich dies jedoch nicht mehr beweisen.
Wir veröffentlich in der Kampagne #Hadamar1942Bis1945 Biografien der Verfolgten und Ermordeten der „dezentralen Euthanasie“ zwischen 1942 und 1945. Hier finden sich alle bisher veröffentlichten Biografien.
Quelle: LWV-Archiv, Best. 12, K 0876
Foto: Auf einem gesonderten Bereich des Anstaltsfriedhofs fanden die Amerikaner zum Zeitpunkt der Befreiung 13 Einzelgräber vor, in denen vermutlich Kinder bestattet wurden. United States Holocaust Memorial Museum, Photograph Number: 05414
Wir danken der Stiftung Scheuern, dem Stadtarchiv Kassel, dem Hessischen Staatsarchiv Marburg, sowie dem LWV-Archiv Kassel für die Unterstützung zur Recherche.