Im August 1899 kam Ernst Ueckert in Gelsenkirchen auf die Welt. Nach der Schule lernte er das Bäckerhandwerk. Nach seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg hatte er Probleme, wieder in das bürgerliche Leben zurückzukehren. Er hatte häufig Kopfschmerzen und schlief schlecht. Außerdem äußerte er erstmals Wahngedanken. 1923 heiratete Ernst, er und seine Frau bekamen sechs Kinder. 1929 begab sich Ernst erstmals freiwillig in ein Krankenhaus, ab 1933 war er schließlich dauerhaft in der Anstalt Bedburg-Hau untergebracht. Dort erhielt er die Diagnose „paranoide Schizophrenie“.
Im gleichen Jahr, in dem Ernst Ueckert in Bedburg-Hau aufgenommen wurde, verabschiedeten die Nationalsozialisten das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN): Personen mit vermeintlichen „Erbkrankheiten“ konnten ohne ihre Einwilligung sterilisiert werden. Das Gesetz wurde am 14. Juli 1933 verabschiedet und trat am 1. Januar 1934 in Kraft. Der Antrag auf eine Sterilisation von Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Anstalten wie Hadamar wurde meistens von dem jeweiligen Direktor an das zuständige Erbgesundheitsgericht weitergeleitet. Dies entschied über die Bewilligung oder Ablehnung des Antrags.
Da „Schizophrenie“ im Zwangssterilisationsgesetz als „Erbkrankheit“ aufgelistet war, ging für Ernst Ueckert am 3. Juni 1934 der Sterilisationsbeschluss ein. Am 24. August 1934 findet sich in seiner Patientenakte lediglich die Bemerkung „sterilisiert“. Damit wurde Ernst Ueckert ein frühes Opfer der Zwangssterilisationen.
Über die Jahre wurde das GzVeN stetig angepasst: ab 1935 konnten Männer „freiwillig kastriert“ werden. Das betraf vor allem homosexuelle Männer oder Sexualstraftäter. Auch schwangere Frauen wurden in die Gesetzesänderung miteinbezogen – es war erlaubt, „erbkranken Nachwuchs“ zwangsabzutreiben.
Aus der Landesheilanstalt Hadamar wurden allein im Jahr 1935 171 Patientinnen und Patienten zwangssterilisiert. Sie wurden zur Sterilisation kurzzeitig in die Anstalt nach Herborn oder umliegende Krankenhäuser verlegt, da Hadamar über keinen Operationssaal verfügte.
Die Zwangssterilisation schützte die betroffenen Patientinnen und Patienten keineswegs vor einer späteren Auswahl für die NS-„Euthanasie“. Am 13. März 1941 kam Ernst Ueckert mit 62 weiteren Patienten nach Hadamar und wurde noch am gleichen Tag in der Gaskammer ermordet.
Die heutige Forschung geht davon aus, dass zwischen 1933 und 1945 350.000-400.000 Menschen zwangssterilisiert wurden.
Erst 2007 ächtete der Deutsche Bundestag das GzVeN.
Mehr Informationen zum Gesetz gibt es auf der Website der Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten.
Quellen: RGBL. I, Nr. 86, 25. Juni 1933, S. 529-531