Im Februar 1941 wurde der 19-jährige Willi Pack aus Hamburg in die Wehrmacht eingezogen. Er blieb zunächst in Lüneburg stationiert, bis sein Truppenteil ab Juni 1941 als Teil der „Heeresgruppe Mitte“ am Feldzug gegen die Sowjetunion teilnahm.
Bereits einen Monat später kam Willi Pack in der Nähe von Smolensk ins Feldlazarett. Er sei durch „Feindeseinwirkung im Osten“ durch zwei Granatsplitter am Kopf verwundet worden. Bei der Entfernung des größeren Splitters verlor er sein rechtes Auge. Zur weiteren Behandlung und Genesung verlegte man ihn über mehrere Lazarettstationen zurück ins deutsche Reichsgebiet. Während seine körperlichen Wunden gut verheilten schien es ihm psychisch schlecht zu gehen.
Daher folgte im Winter 1941 die Überweisung in ein Lazarett mit Nervenabteilung. Hier diagnostizierte man eine „depressive Reaktion“ auf den Verlust des Auges. Willi Pack selbst berichtete von Angstgefühlen, starkem Herzklopfen und Schlafstörungen. Er habe zuweilen ängstliche Träume vom Krieg und mache sich Sorgen um seine Familie. Nach insgesamt knapp 10 Monaten Lazarettbehandlung wurde er gegen Ende Mai 1942 wieder entlassen. Nach einem Genesungsurlaub in Hamburg sollte er sich dort wieder bei einem neuen Truppenteil einfinden. Dazu kam es jedoch nicht mehr.
Stattdessen wurde er im Oktober 1942 in die Nervenabteilung des Reservelazarett V in Hamburg aufgenommen. Dort änderte sich die Diagnose folgenschwer: aufgrund des „zu lange anhaltenden“ schlechten Zustandes wurde nicht mehr von einer Reaktion auf die Kriegsverletzung ausgegangen, sondern von einer „schizophrenen Grunderkrankung“. Mit Hinweis auf einen Anstaltsaufenthalt seiner Mutter wurde er als „erbkrank“ gebrandmarkt.
Vom Lazarett kam er in die Nervenklinik in Hamburg-Eppendorf zur Elektroschocktherapie, welche vor allem bei Schizophrenien und Depressionen angewendet wurde. Obwohl er als „wehruntauglich“ aus der Wehrmacht entlassen wurde, kam diese für die Kosten seiner Behandlung auf, solange er mit Aussicht auf Heilung oder Besserung behandelt wurde. Die Therapie sollte jedoch keine Veränderung bewirken. Anfang 1943 kam er in die Anstalt Hamburg-Langenhorn. Von hier ging die Meldung an das Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamt, dass es sich bei Willi Pack nun um einen reinen „Verwahrfall“ handelte. Mit diesem Urteil wurde er endgültig aus der Wehrmachtsversorgung ausgeschlossen.
Im August 1943 gelangte Willi Pack mit einem Sammeltransport in die hessische Anstalt Eichberg. Von dort ging eine der letzten Meldungen an die Familie: er würde nichts arbeiten, läge dauernd zu Bett und sei sehr unruhig – Merkmale, die in dieser Zeit zur schnelleren Selektion für die „Euthanasie“ führen konnten. Nur knapp 2 Monate später, vor 80 Jahren, folgte die Überweisung nach Hadamar. Hier überlebte er nur einen Monat. Am 16. November 1943 starb er. Er war 21 Jahre alt.
Wir veröffentlich in der Kampagne #Hadamar1942Bis1945 Biografien der Verfolgten und Ermordeten der „dezentralen Euthanasie“ zwischen 1942 und 1945. Hier finden sich alle bisher veröffentlichten Biografien.
Quellen:
LWV-Archiv, K 12, Nr. 1277
Bundesarchiv Berlin, Abt. PA, B563-1 KARTEI/P18/346
Bundesarchiv Berlin, Abt. PA, B578 Krankenbuchlager Einzelakten (Willi Pack, 06.12.1921)
Zum Schicksal dieser Opfergruppe in Hadamar: „wehe unseren braven Soldaten …!“ Die Ermordung von Angehörigen der Wehrmacht, Waffen-SS und Organisation Todt in der „Euthanasie“-Tötungsanstalt Hadamar, in: Florian Bruns, Fritz Dross u. Christina Vanja (Hrsg.), Spiegel der Zeit. Leben in sozialen Einrichtungen von der Reformation bis zur Moderne. Festschrift für Christina Vanja, Berlin 2020 (Historia Hospitalium. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Krankenhausgeschichte, Bd. 31, 2018/19), S. 295-319.
Wir danken dem Kollegen im Bundesarchiv Berlin, Abteilung PA für die umfangreiche Unterstützung bei der Recherche zu mehreren der ermordeten Soldaten in Hadamar.