Am 29. Dezember 1943 starb Richard Eichholz im Alter von 35 Jahren in der Landesheilanstalt Hadamar. Er war während des Zweiten Weltkrieges auf ungewöhnlichem Weg in Anstaltsverwahrung gekommen. Nachdem ein Freund aus seinem queeren Bekanntenkreis in Berlin denunziert wurde, erhielt Eichholz eine Vorladung zur Befragung bei der Gestapo. In der Wohnung des Freundes sollen regelmäßig Treffen von queeren Menschen stattgefunden haben, es wurde Musik gehört, geraucht, getrunken und sich zudem offen über politische Themen ausgetauscht. Richard Eichholz geriet ins Visier der Gestapo, da er ein „Stammgast“ auf diesen Treffen gewesen sein soll, homosexuell war und zudem verbotenerweise ausländische Radiosender gehört habe.
Aus den Verhörprotokollen geht hervor, dass aus Sicht der Gestapo wenig Zweifel an diesen Behauptungen bestanden. Ein richtiges „Geständnis“ legte Eichholz jedoch nicht ab, vielmehr erschienen seine Antworten und sein Verhalten zunehmend „so unsinnig und unlogisch“, dass man ihn mit ärztlichem Gutachten als „gemeingefährlichen Geisteskranken“ in eine Anstalt einweisen ließ. Die nächsten drei Jahre verbrachte Eichholz in Berlin-Wuhlgarten, Teupitz und schließlich in Brandenburg/Görden. Die ganze Zeit über stellte seine Mutter Anfragen nach Entlassung oder zumindest Beurlaubung ihres Sohnes. Stattgegeben wurde dem nie, zu schlecht sei sein gesundheitlicher Zustand.
Im Zuge einer größeren Verlegungsaktion aus Görden wurde Eichholz am 18. November 1943 in die hessische Anstalt Hadamar gebracht. Zu diesem Zeitpunkt starben in Hadamar im Rahmen der NS-„Euthanasie“ nahezu täglich Menschen durch Medikamente, Nahrungsentzug und Vernachlässigung – ein Umstand, der auch Eichholz bewusst war. Nachdem er längere Zeit in der Gartenkolonne gearbeitet hatte, unternahm er am 21. Dezember 1943 einen Fluchtversuch. Kurz darauf wurde er in Herborn von der Polizei wieder aufgegriffen. Dort gab er an: „Als Grund meines Entweichens führe ich an, dass es mir in dieser Heilanstalt unheimlich zu Mute ist, weil blühende Menschen plötzlich sterben müssen […]“. Ungeachtet dessen wurde er wieder nach Hadamar zurückgebracht. Umgehend veranlasste der Chefarzt der Anstalt, Dr. Wahlmann, dass die Mutter über eine schwere Erkältung ihres Sohnes informiert wird. Nur wenige Tage später war Richard Eichholz tot.
Im November 2023 hatte die Gedenkstände für zwei Wochen einen Schülerpraktikanten, der bei der Vorbereitung dieses Posts mitgeholfen hat. Auf die Frage, warum die Geschichte von Richard Eichholz erzählt werden sollte, antwortete er: „Man sollte sich seine Geschichte anhören, weil es interessant ist, wie und warum die Leute in eine Anstalt kamen und wie das Verhalten und der Umgang der Menschen dort gewesen ist und viele Leute dieses Thema gar nicht so im Kopf haben.“
Wir veröffentlich in der Kampagne #Hadamar1942Bis1945 Biografien der Verfolgten und Ermordeten der „dezentralen Euthanasie“ zwischen 1942 und 1945. Hier finden sich alle bisher veröffentlichten Biografien.
Quelle: LWV-Archiv, K 12, Nr. 4676
Wir danken unserem Schülerpraktikanten Robin für seine tolle Unterstützung bei der Vorbereitung des Posts.