Helmut Francke wurde 1925 in Magdeburg geboren. Er wuchs zusammen mit seiner Zwillingsschwester und seiner älteren Schwester Ruth bei den Eltern auf. Als er elf Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden. Beide bezichtigten sich der Untreue und hegten fortan eine tiefe Abneigung gegeneinander, die auch den Kindern nicht verborgen blieb. Während die Mädchen bei der Mutter in Magdeburg blieben, zog Helmut 1938 zu seinem Vater und dessen neuer Frau in die Nähe von Brandenburg. Der Vater schien streng, aber auch um das Wohlbefinden des Sohnes besorgt zu sein.
Im Sommer 1940 erhielt seine Schwester Ruth die Nachricht, dass ihr Verlobter im Krieg gefallen war. Sie beging daraufhin Selbstmord. Im gleichen Jahr begann Helmut eine Bäckerlehre in Brandenburg. Er schien dabei jedoch von Anfang an Probleme zu haben, er schien vergesslich, unordentlich und rebellierte zunehmend gegen Regeln. Immer öfter fuhr er in dieser Zeit auch nach Magdeburg, um seine Mutter zu besuchen. Der Vater gab schließlich ihr die Schuld am ungewollten Verhalten des Sohnes und versuchte, den Kontakt zu verbieten. 1943 wurde Helmut von der Polizei in Brandenburg wegen „öffentlichen Unfugs“ aufgegriffen und schließlich mit Verdacht auf eine geistige Erkrankung in die Anstalt Görden eingewiesen.
Beide Eltern hielten engen Kontakt zu Helmut. Sie schrieben Briefe, schickten Pakete und besuchten ihn. Im November 1943 wurde Helmut kriegsbedingt in einem Großtransport in die Anstalt Hadamar verlegt. Der Kontakt zu den Eltern brach trotz der weiten Entfernung nicht ab. Am 12. Januar 1944, besuchte der Vater ihn in Hadamar. Es war Helmuts 19ter Geburtstag. Im Sommer des gleichen Jahres kam auch seine Mutter für mehrere Tage zu Besuch.
Hadamar war zu dieser Zeit keine herkömmliche Anstalt. Im Rahmen der NS- „Euthanasie“ starben hier zwischen 1942–1945 Tausende von Menschen an den Folgen von Vernachlässigung, Nahrungsentzug und überdosierten Medikamenten. Hadamar war eine Tötungsanstalt. Die Mehrzahl der Menschen überlebte nur eine relativ kurze Zeit in der Anstalt. Helmuts körperliche Arbeitsfähigkeit wird ihm vermutlich das Leben gerettet haben. Seit seiner Ankunft wurde er in einer Feldkolonne eingesetzt. Im November 1944 wurde er schließlich in „Familienpflege“ zur Familie Duchscherer in Hadamar gegeben. Hier half Helmut fortan in der Bäckerei der Familie.
Als im März 1945 die Stadt durch US-Soldaten vom Nationalsozialismus befreit wurde, endete auch die „Euthanasie“ in Hadamar. Im Oktober 1945 floh Helmut gemeinsam mit drei weiteren Patienten. Er wurde nachträglich entlassen und kehrte, so viel wir wissen, nie wieder an diesen Ort zurück.
Wir veröffentlich in der Kampagne #Hadamar1942Bis1945 Biografien der Verfolgten und Ermordeten der „dezentralen Euthanasie“ zwischen 1942 und 1945. Hier finden sich alle bisher veröffentlichten Biografien.
Quelle: LWV-Archiv, K 12, Nr. 4334