1941 wurde die Heilerziehungsanstalt Kalmenhof in die „Aktion T4“ eingebunden. Die Einrichtung übernahm die Funktion einer „Zwischenanstalt“. Von hier aus transportierten die Verantwortlichen über 700 Patienten und Patientinnen in die Tötungsanstalt Hadamar. Zunächst wurden Stammpatienten und Stammpatientinnen verlegt (also „Zöglinge“, die bereits längere Zeit auf dem Kalmenhof lebten), dann folgten größere Sammeltransporte aus Wunstorf, Goddelau, Haina und Gütersloh.
Am 17. Januar 1941 fand der erste Transport aus Idstein statt. 19 Jungen und Männer brachte man mit einem Bus nach Hadamar. Sie wurden noch am selben Tag in der Gaskammer der Tötungsanstalt ermordet.
Einer von ihnen war Karlheinz Sickenberger, geboren am 14. Juli 1923 in Kleinwallstadt in Unterfranken. Er war seit November 1937 auf dem Kalmenhof untergebracht und sollte dort eine Ausbildung machen. Bei einem Besuch in Idstein fiel seiner Mutter der schlechte Ernährungs- und Pflegezustand ihres Sohnes auf. In einem Brief, den sie Anfang 1947 an das Wiesbadener Landgericht sandte, beschrieb sie die Situation. Ihrer Aussage nach reagierte die angesprochene Pflegerin auf ihre Beschwerden hin ausweichend. Nachdem Karlheinz Sickenbergers Mutter dann in Idstein selbst das Gerücht aufschnappte, auf dem Kalmenhof „ginge [es] nicht mit rechten Dingen“ zu, wurde sie misstrauisch und versuchte, ihren Sohn nach Hause zu holen. Dies scheiterte.
Drei Wochen später erhielt sie die Todesnachricht aus Hadamar. Ihr Kind sei an einer „Lungenentzündung u. Kreislaufschwäche“ gestorben. Glauben wollte Frau Sickenberger die Aussage nicht. Ihren Brief an das Landgericht schloss sie mit den Worten: „Ich vermute, daß das Pflegepersonal Kenntnis von diesen Vorfällen hatte.“
Auf dem Foto ist ein Bus der Gemeinnützigen Krankentransportgesellschaft (Gekrat) zu erkennen, der zur Tötungsanstalt Hadamar fährt.
In regelmäßigen Abständen informieren wir Sie hier über die Geschichte des Kalmenhofs in der NS-Zeit und über die Entwicklung des Geländes zum Gedenk- und Lernort Kalmenhof.
Quelle: HHStAW Abt. 461, Akte 32061 Band 6, Blatt 971ff.