Im September 1939 erreichte die fast 40-jährige Krankenschwester Maria Müller die Heilerziehungsanstalt Kalmenhof. Sie war mit einem Evakuierungstransport mit Patienten und Patientinnen aus dem Saarland nach Idstein gekommen und arbeitete zunächst als Pflegerin im „Altenheim“-Gebäude des Kalmenhofs.
Nach dem Fortgang von Schwester Maria Windmüller aus dem anstaltseigenen Krankenhaus im Jahr 1942, übernahm Maria Müller ihren Posten. Zu diesem Zeitpunkt war dort bereits eine sogenannte „Kinderfachabteilung“ eingerichtet. In den folgenden Jahren tötete sie gemeinsam mit der Ärztin Mathilde Weber und später mit dem Arzt Hermann Wesse und der Krankenschwester Aenne Wrona weit über 300 Kinder und Jugendliche mit überdosierten Spritzen und Medikamenten.
Kurz nach Kriegsende wurde sie am 26. und 27. April 1945 mehrmals zu den Geschehnissen auf dem Kalmenhof befragt. Im Gegensatz zu anderen Beschuldigten gab sie ihre Beteiligung an den Morden zu. Auch sprach sie offen darüber, dass Jugendliche zum Teil als Strafe und zum Teil wegen ihrer Mitwisserschaft an den Verbrechen, die sich in der Heilerziehungsanstalt ereignet hatten, ermordet wurden.
Am 5. September 1946 wurde ein Haftbefehl gegen Maria Müller ausgestellt. Doch sie hatte sich der Verhaftung und dem anschließenden Prozess, der im Januar 1947 in Frankfurt stattfand, durch Flucht entzogen. Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt. Sicher ist jedoch, dass sie sich nie vor Gericht für die von ihr begangenen Verbrechen verantworten musste. Die anderen Angeklagten nutzten allerdings die Tatsache, dass Maria Müller geflohen war und stilisierten sie in der Verhandlung zur angeblichen Haupttäterin, um ihre eigene Beteiligung kleinzureden oder ganz zu leugnen.
Auf dem Gelände sowie im Dachgeschoss des ehemaligen Kalmenhof Krankenhauses in Idstein entsteht der Gedenk- und Lernort Kalmenhof. Die Gedenkstätte Hadamar informiert hier und auf Facebook in regelmäßigen Abständen über die Geschichte des Kalmenhofs in der Zeit des Nationalsozialismus und die Entwicklung des „Gedenk- und Lernortes Kalmenhof“ in Idstein.
Quellen: Prozessaussage entnommen aus HHStAW, Bestand 461 Nr. 31526/6, Bl. 251.