Eine der Haupttäterinnen der NS-„Euthanasie“-Verbrechen auf dem Kalmenhof war Mathilde Weber (geb. Wolters). Sie wurde am 4. Juni 1909 in Dinslaken bei Duisburg geboren. Nach der Schule studierte sie Medizin in Bonn. Nachdem sie an der dortigen Universitätsklinik das Praktische Jahr absolviert hatte, fand sie nach längerer Zeit der Arbeitssuche 1939 Anstellung als Assistenzärztin in der Heilerziehungsanstalt Kalmenhof in Idstein. Leitender Arzt war zu dieser Zeit Hans Bodo Gorgaß.
Das anfänglich gute Verhältnis zwischen den beiden kühlte sich nach Aussage von Mathilde Weber zusehends ab. Nachdem Gorgaß Ende 1939 zur Wehrmacht ging, übernahm Mathilde Weber seine Aufgaben. Das bedeutete auch, dass sie ab 1940 für die „Aktion T4“ – der systematischen und von Berlin organisierten Ermordung von Anstaltspatient:innen – die reichsweit versandten Meldebögen für jeden „Zögling“ des Kalmenhofs ausfüllte. Diese Meldebögen dienten als Selektionsgrundlage für die „T4“-Gutachter in Berlin.
Nach dem Ende der „Aktion T4“, vermutlich in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1941, wurde auf dem Kalmenhof eine „Kinderfachabteilung“ eingerichtet. Mathilde Weber war fortan in das nationalsozialistische „Kindereuthanasie“-Programm eingebunden, das von dem in Berlin ansässigen „Reichsausschuss zur Erfassung von erb- und anlagebedingten Leiden“ gesteuert wurde. Zusammen mit zwei Krankenschwestern tötete sie nach Idstein transportierte Kinder mit Medikamenten und Spritzen.
1944 musste sie ihre Stellung aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung aufgeben. Ihr Nachfolger war der Arzt Hermann Wesse. Sie arbeitete anschließend am Landesaufnahmeheim Idstein bis zu ihrer Verhaftung 1946. Mathilde Weber bestritt ihre Tatbeteiligung und schob die Verantwortung für die Morde der ihr unterstellten Krankenschwester zu. Im Januar 1947 wurde sie im Frankfurter Kalmenhof-Prozess wegen Mordes „in einer unbekannten Zahl von Fällen“ zum Tode verurteilt. Auch aufgrund einer Idsteiner Bürgerinitiative, wurde ihre Strafe verringert und schließlich ihre Haft erlassen. Nach dem Tod ihres ersten Mannes, Albert Weber, heiratete sie in den 1950er Jahren Julius Muthig, einen ehemaligen KZ-Arzt und SS-Sturmbannführer. Sie lebte bis 1994 in Idstein. Mathilde Weber starb am 6. August 1996.
Die Gedenkstätte Hadamar informiert hier und auf Facebook in regelmäßigen Abständen über die Geschichte des Kalmenhofs in der Zeit des Nationalsozialismus und die Entwicklung des „Gedenk- und Lernortes Kalmenhof“ in Idstein.
Foto: Dienstverhandlung zwischen der Heilerziehungsanstalt Kalmenhof und Mathilde Weber vom 28. Juni 1939, HHStAW Bestand 461 Nr. 31526/20, S.25 (Ausschnitt).